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Leseproben

Der geliehene Traum - U. Sonnabend - Verlag Molz München

Leseprobe 1(Die Namen wurden geändert)

...
MM ist zu einem großen Unternehmen geworden. Hinter diesem Kürzel verbergen sich ein Herr Dr. Peter Maier-Mehringer und seine Frau Eva. Ein Marketingspezialist und eine erfolgheischende, sich in den Mittelpunkt drängende, Frau. Als eine der ersten Hundert, haben sie dieses Geschäft in Deutschland begonnen, etwa 5 Jahre vor uns. Mit immensem Eifer, bauten sie dieses Geschäft, in kürzester Zeit, zu einer Kronenbotschafterorganisation auf. Tolle, gut ausgearbeitete Reden hielt der Doktor. Anspruchsvoll wollte er sein, rhetorisch einwandfrei. Die Stimme dem Thema angepaßt, mal langsam und nachdenklich, dann wieder lauter, bestimmend und mahnend. Politische, wirtschaftliche, und auch sehr persönliche Themen, flossen in seine Reden ein. Auch Grundsätze wollte er vermitteln, seinen eigenen, wirtschaftlichen Erfolg immer vor Augen.

Sie dagegen spielte die Mutter der Organisation. Wollte fürsorglich, warmherzig und verständnisvoll, der Ansprechpartner für Probleme und die vielen kleinen Wehwehchen sein. Doch wer sie kannte, und wir hatten häufig Gelegenheit sie zu studieren, wußte, wie erfolgsbesessen, ja giftig, sie war. Sie wollte gebettelt werden, ein unnahbarer Star sein. Von allen bewundert. Die weinerliche, herzzerreißende Stimme war nur für die Bühne. Doch ihre herzerweichenden Reden trafen uns nicht mehr. Ihr Heucheln machte mich immer öfter wütend, und ihr zuzuhören wurde bald zur Qual.

Das durfte nicht laut gesagt werden. Schon wären wir "hellblau" gewesen. "Hellblau" stand für einige Ableger der MM’s, die sich schon vor Jahren von den beiden getrennt hatten und ihre eigenen Wege gingen. In vielen Reden wurden sie verspottet und ausgelacht. Alles, was von den "Hellblauen" zu hören war, war negativ: Verräter, Abtrünnige, am Ende würden sie die Verlierer sein. Nur aus der MM Organisation kämen erfolgreiche Berater, so war es immer wieder zu hören.

Nein, die MM’s duldeten keinen Erfolg neben sich. Selbst die heutigen Kronenbotschafter, die Familie Schubert, die weit mehr menschliche Größe besaß, als Eva Maier-Mehringer, wurden uns als einfache Bauern vorgeführt. Eine einfache Bäuerin und ein Elektriker, hieß es da von den MM’s, keine höhere Schulbildung, nicht promoviert, ohne Studium - sie hatten es durch die Hilfe der MM’s geschafft. Obwohl doch jeder sagen würde, warum gerade die? Die haben das doch garnicht verdient, nein, solche Leute können nicht Kronenbotschafter werden. Schuster bleib bei deinen Leisten!

Vielleicht bin ich etwas voreingenommen, weil sich die MM’s immer als etwas Besonderes in den Mittelpunkt stellten. Weil er sich seinen Doktor so raushängen ließ. Ich habe herausgehört, daß die Schuberts "nichts" waren. Daß sie dankbar sein sollten und daß es ihnen im richtigen Leben nicht zustehen würde, erfolgreich zu sein. Und da war ich ganz und gar nicht der Meinung der MM´s. Wo wären denn die MM’s ohne dieses Geschäft? Sie erzählten ja selbst oft genug, daß sie früher fast nichts zu beißen hatten, daß es ihnen schlecht ging - wahrscheinlich schlechter als den Schuberts. Dieses Herabschauen, dieses Gerede über Unterprivilegierte konnte ich nicht hören. Sie, die MM’s, setzten sich vor tausenden von Menschen immer wieder die Krone auf. In einer Rede träumten sie gar vom Friedensnobelpreis, den sie gerne hätten. Wer etwas hinter die Kulissen sehen konnte, wußte, wie krankhaft diese Gier nach Anerkennung und Erfolg in ihnen saß. Lange würde das nicht gut gehen. Sie sollten sich etwas zurückziehen. Keiner würde es ihnen übelnehmen, ja wir hätten sogar Verständnis dafür gehabt...

Leseprobe 2


...Und der Weg dorthin ist ganz einfach: "Hört doch einfach nicht mehr hin, wenn euch jemand mit seinen negativen Meinungen, mit seinem ewigen Wehklagen die Kraft aus den Knochen saugen möchte. Es sind doch bedauernswerte Geschöpfe voller Neid und Mißgunst, die es nicht ertragen können, daß ihr euch erhoben habt aus dieser Monotonie und aus dem Stumpfsinn. Seht nur nach vorne, dorthin, wo eure Sonne scheint, auf euer Ziel! Und ihr werdet mit großen Schritten darauf zugehen. Gemeinsam werden wir den Weg nach oben gehen und unsere Kraft wird stärker und stärker, so stark, daß wir eines Tages auch denen einen Weg in eine schöne und lohnenswertere Zukunft zeigen können, die uns heute beneiden. Wir werden die menschliche Größe haben, auch diejenigen aus dem Sumpf zu ziehen, die uns heute zurückholen wollen - auf ihr eigenes Niveau. Ein Niveau der farblosen Durchschnittlichkeit..."

 

Leseprobe 3 (Die Namen wurden geändert)


... Zum Jahresende fuhren wir, auf Einladung des Lieferanten, zum Leadership-Treffen nach Frankfurt. Dort wurden wir für zwei Tage im Canadian Pacific Hotel im 33. Stock untergebracht. Mit Sicherheit das beste Hotel, in welchem ich bis heute geschlafen habe. Hier fehlte es an nichts: vom Farbfernseher über die Bar bis zur Klimaanlage und einem herrlichen Blick über die Stadt. Für den Abend war eigens für die etwa 100, in den letzten Monaten qualifizierten Direktberater, eine Band engagiert worden. Essen vom Feinsten wurde serviert, sogar die anschließenden Zigaretten wurden nicht vergessen. Eine kurze Begrüßungsrede durch einen Vertreter des Lieferanten rundete den offiziellen Teil des Abends ab. Wir zogen es, zusammen mit der Familie Oberberger, vor, das Hotel ein wenig zu erforschen. Am Aufzug fragte uns der Liftboy wohin wir denn möchten. "Gibt es hier auch eine Diskothek?" fragte Herr Oberberger. "Natürlich," eine kurze Handbewegung forderte uns auf, in den Aufzug einzutreten. Eine kurze Fahrt und wir hielten im ersten Stock. Die Tür ging auf und laute Musik kam uns entgegen. Ich traute meinen Augen nicht. Wir standen mitten in einer Disco! Zigtausend kleine Lämpchen über die Decke auf dunklem Hintergrund verteilt, gaben uns das Gefühl, unter einem Sternenhimmel zu stehen. Die an den Wänden schräg aufgehängten Spiegel ließen uns den vermeintlichen Horizont erkennen. In der Mitte eine bunt beleuchtete Tanzfläche, auf der sich zahlreiche Paare den Klängen der Musik hingaben. Überall Pflanzen, die im zuckenden Licht der Stroposkoplampen immer wieder aufblitzten. "Wouuh, es fehlt nur noch das Meer..." Ein aufmerksamer Herr stand plötzlich vor uns: "Guten Abend, sie suchen Plätze für vier Personen?" Wir nickten und folgten sogleich seiner Handbewegung, die in ein gemütliches Eck der Disco wies. Na gut, die Preise waren zwar happig, doch diesen Abend wollten wir genießen. War es doch der erste wirkliche Atemzug, in jener phantastischen Zukunft, die vor uns lag. Zum ersten Mal greifbar nahe. "Solche Hotels, ein solches Leben, gibt es auf der ganzen Welt. Wo wir auch hinkommen, wir brauchen nur das nötige Kleingeld." Meine Frau lächelte, während ich ihr ins Ohr flüsterte: "Du wirst sehen, wir schaffen es bis ganz, ganz oben." An diesem Abend schöpften wir eine ganze Menge Kraft. Kraft und auch Lust, noch mehr zu tun. Man muß es erlebt haben, das ganze Drumherum. Ein solches Hotel ist nicht für jedermann. So etwas leistet sich ein "Normaler" nicht, es sei denn zu besonderen Anlässen, und selbst da würde er wohl knausern, sich zwei Etagen tiefer einquartieren, dafür eine Woche länger bleiben.

Die Tage dort vergingen zu schnell. Schon standen wir wieder in unserer Zweizimmerwohnung. Wie trostlos und öde es hier doch war. Vielleicht habe ich dieses Erlebnis überbewertet, doch ich glaube, ich habe erfahren, wie klein so viele Menschen sind, wie bescheiden sie leben. Es gibt doch Menschen, die so viel reicher sind, Menschen, die sich diese Welt einfach leisten. Wenn das, was wir gesehen haben, wenig war, was mag es dann noch alles geben? Ich war fasziniert.

* * *